2021-07-25
Oh je, jetzt habe ich aus Versehen eine Balzac-Geschichte außer der Reihe gelesen, statt mit Band 5 mit Band 6 weitergemacht. Die 53 ist die Zählweise von Goodreads.
Also gut, der erste Teil der Geschichte der Dreizehn. Ein junger Offizier, Auguste, folgt einer Dame, die er zu kennen glaubt, und in die er tatsächlich platonisch verliebt ist, in ein übles Viertel in Paris. Er stellt sie bei nächster Gelegenheit zur Rede. Sie streitet es ab, ohne Rot zu werden. Sie trifft sich heimlich mit Ferragus, einem entlaufenden Sträfling und Mitglied der Dreizehn, den wir uns als eine Art Spectre-Blofeld vorstellen müssen. Der junge Mann wird darauf Opfer von drei Mordanschlägen. Der vierte endlich gelingt. Das erfahren wir nebenbei, denn schließlich rafft es auch die schöne Lügnerin, Clemence, dahin, denn der liebende Gatte, dem Auguste alles gepetzt hatte, bringt es nicht über sich, der Gattin nicht hinterherzuspionieren. Zwar ist der Gauner der Vater der Schönen, aber das macht ihr Verhalten, meine ich, nicht verzeihlicher. Einen jungen Mann zu ermorden, nur weil der gepetzt hat, geht doch ziemlich weit. Die Gatten schwören sich zwischendurch ewige Liebe, sie hätte am liebsten, wenn er gleich mitstürbe, ringt ihm aber immerhin das Versprechen ab, nach ihrem Tode das Schlafzimmer zu verbrennen. Er geht einen Schritt weiter und will sie verbrennen lassen. Soweit die ziemlich dümmliche Handlung. Entschädigt werden wir durch die letzten 15 Seiten, die beschreiben, wie der traurige Witwer mit der Bürokratie zu kämpfen hat, um seine Gattin verbrennen zu können. Übrigens gibt es noch eine Geliebte des Ferragus, Ida, die ins Wasser geht, vorher aber für etwas comedy relief sorgt. Versteht sich, dass die kein christliches Begräbnis erhält.
Natürlich glänzend geschrieben, und allein die Beschreibung der menschlichen Züge der Pariser Straßen macht die Lektüre lohnenswert und noch mehr die Ausführung zum Thema Lüge: „Jede Frau lügt. Notlüge, verzeihliche Lüge, erhabene Lüge, abscheuliche Lüge; aber Zwang zur Lüge. Gesteht man diesen Zwang zu, gilt es dann nicht, gut zu lügen? In Frankreich lügen die Frauen wunderbar. [...] Die Lüge wird für sie also zur Grundlage der Sprache, und die Wahrheit ist nur noch eine Ausnahme; sie sagen sie, wie sie aus Laune oder Berechnung tugendhaft sind.“
150/6
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