2024-03-05
Hiermit nehme ich feierlich alles zurück, was ich jemals Böses über Poor Things, gesagt habe.
Kleiner Scherz. Zone of Interest ist ein schwacher Film, aber keine Katastrophe. Wobei man Poor Things zugutehalten kann, dass da wenigstens versucht wird, eine Geschichte zu erzählen, mit Einleitung, Hauptteil und Schluss und sogar Epilog.
Von einer Geschichte kann bei Zone überhaupt keine Rede sein. Der Film wird getragen von einer einzigen Idee, das Grauen von Auschwitz nicht direkt zu zeigen, sondern stattdessen das Alltagsleben der Familie Höß zu schildern. Die sensationell überschätzte Sandra Hüller darf als Gattin des Konzentrationslager-Rudolfs durchs Bild schlurfen. Ähnlich wie Emma Stone, nur noch unglaubwürdiger.
(Und hier kann ich nicht anders, als kurz abzuschweifen, und aus einem Trollope-Roman zu zitieren, den ich gerade lese: “Alas! how few women can walk! how many are wilfully averse to attempting any such motion! They scuffle, they trip, they trod, they amble, they wadle, they crawl, they drag themselves on painfully as though the flounces and forbelows around them were a burden too heavy for easy, graceful motion; but, except in Spain, they rarely walk.“)
Man sieht sie also bei den Alltagsdingen, sich mit Freundinnen treffen, ihren Garten bewundern lassen und so. Hören kann man nicht viel, denn das Mikrophon wurde beim Dreh unter den Dielen versteckt. Um das ganze authentischer zu machen, vermute ich. Wir befinden uns im Haus (darf man schon Villa sagen?) der Familie und auf der anderen Seite der Mauer, wissen wir natürlich, ist das KZ. Man hört Schüsse, Hundegebell und ankommende Züge (konnte man die wirklich hören?).
Spießige Idylle also. Gut. Ich war dieses Jahr in Auschwitz und habe das Haus gesehen. Und viel Fantasie gehört nicht dazu, sich vorzustellen, wie das Leben da gewesen sein muss. Es ist geradezu unmöglich sich das nicht vorstellen zu können. Warum soll ein Film mir dabei helfen? Ja, weil das Grauen dadurch, dass man es nicht zeigt, noch greifbarer wird! So jedenfalls offenbar die Logik der Filmemacher. Und wenn man großzügig ist, sagt man, (so wie D.) für einen zwanzigminütigen Film-Essay hätte das vielleicht funktioniert.
Indirekt also. Christian Friedel lehnt lässig am Tisch, telefonierend, als man ihm eine Insassin zuführt. Was er mit der nun tut, sieht man nicht, sondern stattdessen beobachten wir ihn dabei, wie er anschließend mit heruntergelassener Hose, sein, nun, Geschlechtsteil säubert.
Am Ende, darf auch in keinem künstlerisch wertvollen Film fehlen, übergibt er sich. Weil er gerade einsieht, wie böse seine Frau ist, glaube ich. Und ganz am Schluss sehen wir dann doch noch das Lager von innen. In der Gegenwart, aus der Sicht der Putzstaffel. Das fand ich tatsächlich gut.
War das alles so? Vermutlich so ähnlich. Aber etwas mehr Sorgfalt bei den Dialogen hätte man erwarten dürfen. Alles gut. Sagen die da. Die absurde Univeralfloskel, die es so vor zehn Jahren noch nicht gab, geschweige denn damals. Oder toll, im Sinne von großartig.
Hannah Arendt hat bekanntlich das schöne Wort von der Banalität des Bösen geprägt. Hier aber wird in aller epischen Breite das Bild der Banalität des Banalen gemalt.
Nicht viel mehr als hundert Schritte entfernt vom Haus der Familie kann man heute den Galgen sehen, an dem Rudolf Höß aufgeknüpft wurde. Und ich habe mich bei dem unfrommen Gedanken ertappt, dass die Gattin den Strang wohl auch verdient hätte.
Holi 3/10
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