Liedzeit

Megalopolis

2024-10-21

Was ist eine Fabel? Tiere oder Pflanzen spielen eine Rolle in einer einfachen Geschichte mit einer einfachen Moral.

Nichts davon trifft auf Megalopolis zu, den Herr Coppola dennoch eine Fabel nennt. Vielleicht weil Zeit und Raum nicht so eindeutig definiert sind. Wir sind in New York der Gegenwart, oder an einem Ort, in einem benachbarten Paralleluniversum, der dem nahekommt, aber mit römischen und spätrömischen Zügen.

Der Held, oder die Gestalt, die in den meisten Szenen vorkommt, heißt Caesar Cattalina und ist Architekt. Sein Kontrahent Cicero, und der ist der Bürgermeister. Und dann gibt es den greisen Onkel mit der Kohle, der natürlich Crassus heißt und von Jon Voight gespielt wird.

Der Film hat sensationell schlechte Kritiken erhalten und gilt als Flop. Andererseits las ich in der NYT, dass dieser Film in fünfzig Jahren als Meisterwerk gehandelt werden wird. Vielleicht. Und wenn schlecht, dann nicht aus den üblichen Gründen, die ja meist aus Dümmlichkeit entstehen. 5,0 IMDb. Das ist schon mal eine Ansage. Es gibt so 6,3 Filme, die in Wirklichkeit gut sind. Aber freiwillig einen 5er im Kino zu sehen war eine Premiere für mich.

Und so war ich auf einen schwachen Film eingestellt, der aber vielleicht einige gelungene Szenen oder Ideen enthalten könnte.

Am Anfang sehen wir Adam Driver, wie er von einem Hochhaus zu springen sich anschickt. Wunderbar gefilmt. Mit passender Musik (die den ganzen Film über passt). Und nach 9 Sekunden wusste ich, das kann schon mal nicht weniger als 6,0 werden.

Dann besinnt sich der Mann, bringt die Zeit dazu, still zu stehen, und bekommt wieder festen Boden unter den Füßen. Das Ganze wird beobachtet von Julia, der Tochter des Cicero, die daher den Mann aufsucht, um ihm ihre Dienste anzubieten? Vielleicht sogar Liebe? Oder will sie doch nur spionieren?

Vorher aber tritt unser Mann, ich war noch etwas verwirrt, ob er denn nun Caesar oder Cattalina sei, vor einer versammelten Mengen auf, um erst einmal den Sein-Oder-Nichtsein-Monolog zu deklamieren. Was das soll, versteht man nicht, aber da war schon mal klar, weniger als 7,0 kann das nicht werden. Und dann also Julia (Nathalie Emmanuel) als Rotkäppchen verkleidet bei Adam. Es folgt ein Screwball-Dialog wie ihn Howard Hawks nicht besser hätte inszenieren können. Mindestens also 8,0.

Adam war beschuldigt worden seine Frau beseitigt zu haben, und zwar von Cicero als er nocht Staatsanwalt war. (Wenn ich das richtig verstanden habe). Die beiden mögen sich nicht. Besonders weil Caesar ihm auch noch unterstellt, für die Slums verantwortlich zu sein. Kein Wunder, dass der es dann nicht gerne sieht, dass seine Tochter sich dem Mann an den Hals wirft.

CC ist übrigens Nobelpreisträger. Den hat er bekommen für die Entwicklung des Stoffes Megalopon (oder so ähnlich), aus dem er New York neu erbauen möchte. Nebenbei sehen wir immer bedrohlich einen alten Sowjet-Satelitten um die Erde kreisen. Und das Gesicht der toten Gattin.

Es vergeht eine Weile. Und wie wird das filmisch dargestellt? Durch abgerissene Kalenderblätter. Das würde sich heute normalerweise niemand mehr trauen, aber Ford Coppola hat die Souveränität und das Genie, genau das zu tun. 9,0. Keine Frage.

Es gibt noch eine Böse, Aubrey Plaza, die Crassus heiratet. Jon Voight hat etwas gutzumachen, hat er doch in dem ersten Mission Impossible das Andenken an Jim Phelps verunglimpft. Und er tut es. Noch bemerkenswerter, Lawrence Fishburn, der den Chauffeur und Mann im Hintergrund Caesars spielt. Der war immerhin beteiligt an einem der großen Verbrechen gegen die Menschheit (Matrix) und nutzt seine Redemption-Chance. Denn er darf auch die Onkelstimme aus dem Off sein, die die Fäden, sofern vorhanden, zusammenhält. Wir sind inzwischen bei einer klaren 10.

Neben Aurey ist dann noch ein Cousin da, Shia LaBeouf, der glaubt, selbst über Talent zu verfügen.

Wird Julia dem Caesar eine liebevolle Gattin werden dürfen? Wird Caesar das unmoralische Angebot des Cicero annehmen? Wird der Architekt seine Traumstadt bauen? Wird die Fähigkeit, die Zeit anzuhalten, böse Konsequenzen haben? Was eigentlich hat Dustin Hoffman in diesem Film zu suchen gehabt? Wird der Satelitt auf die Stadt fallen? Wird das Kind Sunny Hope heißen oder doch Francis?

Habe ich den Film verstanden? Selbstverständlich nicht. Was will uns der Künstler sagen? Keine Ahnung. Ist der Film ein Meisterwerk? Na klaro!

Victor Hugo (Besançon) 10/10


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