2024-11-27
Triggerwarnung: Diese Kritik enthält Beschreibung von Alkoholkonsum, Nacktheit und Schabernack.
Kann es sein, dass ich noch nie Brecht auf der Bühne gesehen habe? Jetzt aber schon.
Karin Beier bringt den Herrn Puntila ins Schauspielhaus, inkarniert von Joachim Meyerhoff.
Kristof Van Boven ist der Chauffeur (und damit Knecht) Matti. Der spricht so wie Hape Kerkeling als Hannilein. Aber wie alle anderen auch, irgendwie Wienerisch (das ist bei Brecht schon so). Dabei sind wir in Finnland, wie man an der Frisur Puntilas erkennt und daran, dass eine Sauna eine tragende Rolle spielt.
Puntila besitzt 90 Kühe und ist meistens besoffen. Allerdings geschieht es ihm so einmal im Quartal, dass er plötzlich sternhagel nüchtern ist. Und das macht ihn betroffen, denn nur besoffen ist er Mensch. Sagt er zumindest von sich selbst. Und da verlobt er sich mit vier Grazien an einem Tag. Allesamt von Männern dargestellt, vermutlich um den Sexismus zu brechen. Eine Frau gibt es aber doch, nämlich Tochter Eva. Die ist mit einem Attaché verlobt. Hat aber Zweifel. Was man gut versteht. Matti versucht aus der Bredouille zu helfen. Ganz und gar nackt schlagen die nicht Purzelbäume und üben auch nicht erkennbar Sozialkritik, sondern spielen 66 in der Sauna.
Der Attaché ist allerdings verschuldet genug, sich nicht daran zu stören. Jedoch möchte Puntila sie nun mit einem echten Mann zusammenführen, und zwar Matti. Aber taugt sie zur Ehe mit einem Menschen der Unterschicht? Da muss sie tapfer rohen Hering essen, um sich an das Armeleuteessen zu gewöhnen und Socken stopfen. Denn das gehört zur Ehe, nicht aus Liebe, sondern aus Sparsamkeit. Am allerbesten als Matti seiner Befürchtung Ausdruck verleiht, sie könne vielleicht nicht genug Feingefühl aufbringen, wenn er abends nach Hause kommt. Zum Beispiel gefragt ist da nämlich: Maulhalten.
Allerdings macht sie Punkte als das Szenario durchgespielt wird, Mann wird mitten in der Nacht vom Chef zum Einsatz gerufen. Er gibt ihr daraufhin erfreut einen Klaps auf den Po. Was sie dazu bringt, nunmehr an der Ehe mit ihm zu zweifeln.
Und auch Puntila hat Zweifel. Fast, wirft er ihr vor, hätte sie den Attaché genommen, „nur weil ich es befohlen habe, weil du keinen Charakter hast.”
Wie üblich ist Meyerhoff überragend und beinahe in jeder Szene. Und die ohne ihn hätte man auch gut streichen können. Was Brecht uns sagen will ist schon sehr unklar, was Frau Beier uns sagen will, aber noch viel unklarer. Puntila ist ja beinahe Kommunist, aber auch nur beinahe, und selbst der Knecht möchte nicht nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen behandelt werden. (Glaube ich.)
So richtig toll war das alles nicht, aber irgendwie auch ganz gut. Ganz sicher aber eine Stunde zu lang. Und was in der letzen halben Stunde passiert, habe ich nicht mitbekommen, da habe ich über das nächste Bilderrätsel nachgedacht.
Schauspielhaus
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